. Betrachtungen zum Net Working Capital

Die Kennzahl Net Working Capital im Fokus

Manager lieben Kennzahlen. Kennzahlen verdichten komplexe Sachverhalte in einfache, anschauliche Größen. Damit lassen sich komplexe Sachverhalte schnell und anschaulich greifbar machen. Das Problem ist nur, dass man die dahinter liegende Komplexität auch verstehen muss, um die Wirkungsweise und Grenzen einer Kennzahl auch zu verstehen.

Berechnung des Net Working Capitals und Zusammenhänge zu anderen Kennzahlen

Als Beispiel betrachten wir das Net Working Capital bzw. das Working Capital. Das Working Capital berechnet sich als Differenz zwischen dem Umlaufvermögen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Beim Net Working Capital werden zusätzlich noch die liquiden Mittel, also die Zahlungsmittel, abgezogen. Damit besteht ein Zusammenhang zur Liquidität 3. Grades, welche sich als Quotient aus Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten berechnet. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zum Cash Flow. Der Cash Flow nach IAS 7 besteht aus drei Teilen, dem Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit, dem Cash Flow aus Investitionstätigkeit und dem Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit. Die Bestandteile des Cash Flows aus betrieblicher Tätigkeit außer dem Betriebsergebnis sind ebenfalls Bestandteil des Net Working Capital - NWC. Dadurch entsteht auch hier ein teilweise sogar direkter Zusammenhang.

Informationsgehalt und Vorsicht bei der Betrachtung

Informationen, die das Networking Capital liefert, sind reichhaltig. Es weist auf Produktion auf Lager, Schwierigkeiten beim Eintreiben von Forderungen, Finanzierung durch Lieferantenkredite und weitere Knackpunkte hin. Allerdings sollte man die dahinterstehenden finanziellen Zusammenhänge kennen und tiefgehende Kenntnis der Wirkung einzelner Geschäftsvorfälle auf Bilanz und GuV haben, da man sonst schnell zu Fehlinterpretationen kommt. So erhöht ein Einkauf von Rohstoffen das Net Working Capital, aber erst, wenn die zugehörige Rechnung bezahlt ist. Ansonsten werden die erhöhten Lagerbestände der Rohstoffe durch erhöhte Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen aus der noch offenen Rechnung wieder ausgeglichen. Der Einkauf einer Anlage, also eine Investition hat keine Wirkung auf das Net Working Capital, weil sie im Anlage- und nicht im Umlaufvermögen erfasst wird, aber erst, nachdem die zugehörige Rechnung bezahlt ist. Ansonsten mindert die offene Rechnung über die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen das Net Working Capital.

Die Aussage, eine Erhöhung der Warenbestände erhöht das Net Working Capital trifft also nur bedingt zu. Im Wesentlichen ist es zwar tatsächlich so, aber der Teil, zu denen die Rechnung noch nicht beglichen ist, wird über die Verbindlichkeiten wieder neutralisiert.

Zusammenhang zwischen Net Working Capital und Net Working Capital

Oftmals sieht man auch die Aussage, die Änderung des Cash Flows ergibt sich aus der Änderung des Net Working Capitals. Diese Aussage hat in etwa so viel Aussagekraft, wie die Aussage, der Wind hätte seine Ursache im Regen. Zwischen beiden Phänomenen gibt es keinen direkten Zusammenhang. Beide haben aber ähnliche oder die dieselben Ursachen. Durch die Wirkungen an der Grenze zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten entsteht Wind, der aus dem Hochdruckgebiet in das Tiefdruck gebiet strömt. Die Tiefdruckgebiete selbst bzw. das Aufeinandertreffen von warmer und kalter Luft sorgen aber auch für Niederschläge. Genauso haben auch das Net Working Capital und der Cash Flow teilweise dieselben Einflussgrößen. So steigt das Net Working Capital, wenn eine Rechnung für Rohstoffe bezahlt wird, während gleichzeitig der Cash Flow in gleicher Höhe sinkt. Beide sind aber nur deren Ergebnis und beeinflussen sich gegenseitig nicht.

Von daher ist die Begründung, der Cash Flow würde das Net Working Capital beeinflussen falsch und meist eine Folge von schlampig ausgeführten Analysen. Eine saubere Ursachenforschung beschäftigt sich mit den Hintergründen hinter beiden Kennzahlen und betrachtet die Zusammenhänge mit weiteren Kennzahlen. Dazu gehören Entwicklungen der Umsatzerlöse, der Anzahl der Kunden, der Produktionseffizienz, der Entwicklung der Finanzierung des Unternehmens und vieles andere mehr. Oft kann daher festgestellt werden, dass beide Kenzahlen deswegen dargestellt werden, weil es schick ist, alle anderen auch so machen und es den Anschein von Professionalität hat. Betrachtet man allerdings die zugehörigen Kommentierungen, muss man leider immer wieder feststellen, dass die beteiligten Personen den hohen Anforderungen im Umgang mit diesen Kennzahlen nicht gerecht werden können.

Schwierigkeiten bei der Betrachtung des Net Working Capitals

Eine Erhöhung des Net Working Capitals, und analog eine Senkung, kann verschiedene Ursachen haben: Kunden zahlen ihre Rechnung nicht, Rechnungen der Lieferanten werden bezahlt, Rohstoffe werden eingekauft oder Waren produziert und noch nicht verkauft, kurzfristige Darlehen wurden getilgt oder die Kundenanzahlungen sind gesunken. Daher ist eine Analyse der Ursachen notwendig. Auch eine Aussage, dass steigende Rohstoff- und Warenbestände schlecht seien, kann so nicht getroffen werden. Dies vor allem dann nicht, wenn dies mit einer Ausweitung der Produktion durch den Gewinn neuer Kunden einhergeht. Aus die Senkung von Kundenanzahlungen muss nicht negativ sein, sondern kann auch darauf hindeuten, dass nun endlich der Rückstand in der Erledigung der Kundenaufträge gesenkt werden konnte. Zusätzlich können sich positive und negative Effekte ausgleichen, so dass das Net Working Capital unverändert bleibt.

Im Ergebnis kann gesagt werden, dass die Bedeutung des Net Working Capital oft überschätzt oder der Wert auch immer wieder falsch interpretiert wird. Das soll nicht bedeuten, dass das Net Working Capital eine ungeeignete Kennzahl wäre. Jedoch sollte man diese, wie alle anderen Kennzahlen auch mit großer Vorsicht und Zurückhaltung betrachten.