. Grundproblem der volkswirtschaftlichen Theorie - 57 bis 59

A Das qualitativ-statische Geldproblem

57 Die Konventionstheorie

Die Hauptfunktionen, welche das Geld im Wirtschaftsleben versieht, wurden schon früh mehr oder weniger klar erkannt. Dass das Geld der Erleichterung des Tausches dient, also allgemeines Tauschmittel ist, dass es ferner als Vergleichsgrundlage bei der Vergleichung der auszutauschenden Güter benützt wird, also Wertmesser (heute sagen wir Wertausdrucksmittel) ist, muss jedermann klar werden, der sich die Frage vorlegt, welche Dienste das Geld dem Wirtschaftsleben leistet.

Ist aber das Geld als Tauschmittel und Wertmaß gleich den anderen Gütern, den Waren, welche zur Tauschvermittlung bei einer fortschreitenden Geldverfassung benützt werden? Durch diese Frage, welcher man in Anbetracht der besonderen Funktion des Geldes ausweichen konnte, wurde schon die Frage nach dem Wesen des Geldes aufgeworfen. Die Antwort lautet zunächst verneinend und musste, bevor man den Ursprung des Geldes erkannte, auch verneinend lauten. Versieht doch das Geld andere Funktionen als die Waren. Diese gelangen zwar auch in den Verkehr, sie werden aber schließlich konsumiert (die Produktionsgüter beschäftigten die Alten wenig), während das Geld nicht dem Verbrauche dient, sondern ständig im Dienste des Verkehrs verbleibt. Jede andere Verwendung erschien den Denkern des Altertums und des Mittelalters schon von ihrem ethischen Standpunkte aus als unnatürlich und widersinnig. Wenn aber doch jedermann bereit ist, seine Güter gegen Geld, das keine direkte Nützlichkeit besitzt, auszutauschen, so muss es einen besonderen Grund haben. Dieser wurde im Altertum und im Mittelalter darin gesucht, dass irgendeine Übereinkunft der Menschen das Geld bewusst schaffen musste, mit der Absicht, ein Tauschmittel und ein Wertmaß zur Erleichterung des Verkehrs einzuführen. Beiläufig aus diesen Gedankengängen entstand die Konventionstheorie.

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Bezüglich der Auffassung vom Wesen des Geldes hatte die Konventionstheorie wichtige Folgen. Durch eine schroffe Gegenüberstellung von Geld und Ware führte sie zu einer Annahme, das Geld sei keine natürliche Erscheinung des Wirtschaftslebens, sondern eine menschliche Erfindung, also ein künstliches Mittel des Tausches. Dieser Gedanke wurde im Mittelalter weiter dahin ausgebaut, das Geld habe im Gegensatz zu den Waren auch keinen natürlichen Wert. Der Geldwert erschien vielmehr ein künstlicher Wert, ein valor impositus nach Benennung der Schriftsteller des Mittelalters, ein valeur arbitraire, wie sich die spätere französische Literatur ausdrückte.

Zu ähnlichen Ansichten bekannte sich z. B. der heilige Thomas von Aquino in seinen Auseinandersetzungen über Wert und Preis, und die ersten Theoretiker des Geldes, Davanzati und Montanari bewegen sich in dieser Bahn. Die älteren englischen Schriftsteller, so z. B. Hales, Malynes und Vaughan, sprechen vom „Erfinden“ des Geldes, und auch Locke leitet den Wert des Geldes aus einer gemeinsamen Übereinkunft der Menschen ab.

Die Konventionstheorie hob zweifellos einen wichtigen Charakterzug des Geldes hervor. Sie führte eine strenge Trennung zwischen Geld und Waren durch und erkannte das Geld als selbständige Kategorie des Wirtschaftslebens. Auch konnte sie leicht jenen Einfluss erklären, welche die Staatsgewalt auf das Geldwesen ausübt. Wurde das Geld auf künstliche Weise geschaffen, so schien auch die Möglichkeit einer Beeinflussung desselben durch fürstliche Macht leicht verständlich.

Die Ansicht, das Geld sei das Gegenteil der Waren und erhalte seinen Wert auf ganz anderer Grundlage als die Waren, schien den Kern der Frage nach dem Wesen des Geldes derart zu treffen, dass die Konventionstheorie auch noch im 19. Jahrhundert Anhänger fand (Freilich mutet es seltsam an, wenn Haley noch an der Schwelle des 20. Jahrhunderts das „Common consent“ in sein Gelddefinition aufnimmt.).

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Die Konventionstheorie ist die reinste Verkörperung jener Erklärungen des Geldes, welche Mifes „akatallaktische Geldtheorien“ nennt. Diese suchen nämlich den Schlüssel zum Verständnis des Geldphänomens nicht auf werttheoretischer Grundlage, sondern betrachten das Geld wohl als ein Wirtschaftsmittel, jedoch eines, welches sozusagen außerhalb der allgemeinen Wirtschaftsgesetze, jedenfalls aber außerhalb des allgemeinen Wertgesetzes steht.

58 Der Ursprung der katallaktischen Geldtheorien

Freilich konnte man sich damit nicht immer leicht abfinden, das Geld sozusagen als einen Fremdkörper im Wirtschaftsleben zu betrachten. Es war unmöglich, sich Beobachtungen zu verschließen, welche insbesondere jener Auffassung widersprachen, der Geldwert sei etwas ganz künstliches und dem Einflüsse der das Geldwesen regelnden Fürsten absolut zugängliches. Stand die Theorie auf diesem Boden, so wollte sich das Leben nicht den Konsequenzen dieser Ansicht fügen, und die fortwährenden Münzverschlechterungen führten zu schweren Unzukömmlichkeiten im Verkehr. So musste man schon früh zur Erkenntnis jener Regel gelangen, welche später das Greshamsche Gesetz genannt wurde, und wonach das gute Geld durch das schlechte Geld aus dem Verkehr gedrängt wird. War das nicht ein Beweis dafür, dass das Geld dem menschlichen und auch dem fürstlichen Willen nicht unbedingt untertan sei und ebenfalls wirtschaftlichen Gesetzen gehorche, welche dem fürstlichen Willen trotzend ihren eigenen Weg gehen? Konnte man nach dieser Beobachtung noch lange daran zweifeln, dass der Metallwert der Münzen den Geldwert beeinflusst und jenen Gesetzen unterwirft, welche die Wertbildung im allgemeinen beherrschen? Diese Fragen mussten eine Abkehr von der akatallaktischen Auffassung des Geldes vorbereiten und der Ansicht vorarbeiten, der Geldwert könne doch kein einfacher valor impositus sein, sondern der innere Wert der Münze, also der Metallwert derselben, der valor intrinsecus, wie er im Mittelalter genannt wurde, müsse im Gelde auch zum Vorschein kommen.

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Menger meinte, Law sei zuerst zu der Erkenntnis gelangt, das Geld sei weder eine rein staatliche Einrichtung noch ein künstliches Produkt, welches die Übereinkunft der Menschen zur Erleichterung des Tausches geschaffen hat. Gewiss war Law einer derjenigen, welche der Konventionstheorie stark zu Leibe gegangen sind. Der Wendepunkt der Geldtheorie ist aber viel älteren Datums. Er wird zumeist als ein Verdienst von Dresmius († 1383) hingestellt, obzwar jener Gedanke, welcher den Umbau der Geldtheorie bewirkte, schon von Buridan (dessen Wirken in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts fällt), dessen Schüler Dresmius gewesen zu sein scheint, stammt (Vergleiche Kaulla: Der Lehrer des Dresmius. Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. LX. Band (1904) Seiten 453-461.). Buridan vertrat schon klar die Ansicht, der Fürst könne wohl das Geld nach Belieben in Verkehr setzen, seinen Wert aber nicht nach Willkür bestimmen, denn die Münzen werden aus Edelmetall verfertigt, deren Wert sich auf derselben Grundlage bildet, wie der Wert der übrigen Waren. Er ist demnach im selben Grade abhängig von jenen Bedürfnissen, welche die Metalle befriedigen, als der Wert der übrigen Waren von dem auf sie gerichteten Begehren.

Buridan und Dresmius wandten sich noch nicht ausdrücklich gegen die Konventionstheorie, obzwar ihre Resultate mit derselben schon im Gegensatz stehen. Auch drang ihre Ansicht bloß langsam durch. Die direkten Angriffe gegen die Konventionstheorie begannen scheinbar erst im 18. Jahrhundert, und hierin scheint Law tatsächlich einer der Bahnbrecher gewesen zu sein. In einem, im Jahre 1720 schon in französischer Übersetzung erschienen Werke über das Geld wendet er sich scharf gegen Lockes Auffassung, das Geld wäre durch Übereinkunft der Menschen und Völker entstanden und hätte demnach einen willkürlichen Wert. Wie wäre es möglich gewesen, fragt Law, dass die verschiedenen Nationen zu einer Übereinstimmung eines selbsterwählten Wertes vom Geld gelangt wären, und wie könne der auf solche willkürliche Weise entstandene Geldwert in Übereinstimmung aller Nationen aufrecht erhalten werden? Es sind dies fast dieselben Fragen, welche etliche Jahrzehnte später Galiani, der, wie es scheint zur Zeit der Abfassung seines über das Geld handelnden Werkes außer seinen italienischen Vorfahren wenig Schriftsteller gekannt hat, mit beißendem Spotte der Konventionstheorie entgegenhält. Law war auch damit schon im reinen, dass Edelmetalle jene Laufbahn, welche dann mit ihrer Benützung als Geldstoff endete, in der Eigenschaft von Waren begonnen haben, und dass folglich der Wert der Münzen, auch wenn sie den Gelddienst versehen, vom Metallwert nicht unabhängig sein kann. Auch er kannte schon die Tatsache, die später Condillac stark hervorhob, dass der Wert der Edelmetalle durch ihre Verwendung als Geldstoff gestiegen ist, da ja dadurch, wie es Condillac ausdrückte, die Edelmetalle eine neue Verwendung gewannen.

Sowohl Law als Condillac betonen, dass die Edelmetalle durch ihre Verwendung zu Tauschzwecken ihren Warencharakter nicht eingebüßt haben. Turgot weist die Ansicht zurück, als ob Gold- und Silbermünzen bloß Wertzeichen wären; sie haben, meint er, einen selbständigen Wert, welcher sich aus dem auf sie gerichteten Begehren ableitet. Es ist also klar, wo die neue Richtung der Geldtheorie hinaus will. Es soll der Warencharakter des Geldes betont und jener Ansicht entgegengetreten werden, als ob es sich beim Gelde um einen künstlichen und vom Warenwerte der Münze unabhängigen willkürlichen Wert handeln würde. Die deutsche Literatur gelangt etwas später zu dieser Einsicht, doch vertritt sie Hufeland schon klar.

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Die Klassiker standen also auf dem Gebiete der Geldtheorie schon mehr oder weniger geklärte Ansichten vor. Ihre Geldtheorie ist vollständig katallaktisch und trägt dem Warencharakter der Münzen vollauf Rechnung. Doch steht es ihnen fern, das Edelmetallgeld als eine vollkommene Einrichtung anzusehen. Sowohl Smith als auch Ricardo versäumen es nicht, zu betonen, das Edelmetall sei ein kostspieliges Mittel des Verkehrs, da hierdurch wertfolle Güter anderweitiger Benutzung entzogen werden. Ricardo scheut sich sogar nicht auszusprechen, dass bei entsprechender Regelung auch das Papier den Dienst des Geldes versehen könnte.

59 Der Metallismus

Jene Richtung, auf welche Knapp später den Namen Metallismus münzte, ist aus einer übertriebenen Betonung der Rolle der Edelmetalle im Geldwesen entstanden. Die Neigung hierzu ist nur zu verständlich. Die Unhaltbarkeit der akatallaktischen Geldtheorie und die traurigen Erfahrungen, welche mit den Münzverschlechterungen, später mit dem Papiergeld gemacht wurden, mussten dazu verleiten, die Wichtigkeit des Metallgehaltes der Münze zu übertreiben. War doch das Bestreben, endlich ein geordnetes Geldwesen zu schaffen, immer mehr in den Vordergrund getreten, und dies schien nach den gemachten Erfahrungen bloß durch ein entsprechend geregeltes Edelmetallgeld erreichbar zu sein. Das Recht der freien Prägung, welchen des den freien Übergang des Metalls von der Warenform in die Geldform und umgekehrt gewährleistet, wurde als die Grundlage einer gesunden Währung erkannt.

All’ dies musste dazu führen, dass der früher vernachlässigte Warencharakter des Geldes immer mehr betont wurde. Tauschmittel, welche keinen Warenwert besitzen, erscheinen unter diesem Gesichtspunkte nicht mehr als wahres Geld, sondern bloß als Vertreter des Geldes. Es verbreitet sich die Ansicht, nur eine wertvolle Ware könne den Gelddienst versehen, denn nur das Edelmetallgeld mit selbständigen Werte könne eine Vergleichungsgrundlage für die übrigen Waren abgeben. Es wird also durch diese Auffassung einerseits der Warencharakter andererseits die Wertmaßfunktion des Geldes betont und de Geldbegriff auf diese Funktion aufgebaut.

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Die Vermengung von Geldstoff und Geldbegriff ist schon bei Petty vorzufinden, wenn er das Geld als besonders für diesen Zweck hergerichtetes Edelmetall betrachtet und dasselbe auf Grund sein Produktionskosten als Wertmaß annimmt. Wenn überhaupt das Hervorkehren der Wertmaßfunktion zum Metallismus verleitete, so gilt dies insbesondere von der später zu behandelnden Produktionskostentheorie des Geldes. So meint Sismondi, das Geld sei nicht bloß Wertmaß, sondern wiege die eingetauschten Güter auch auf, da es auch durch Arbeit erzeugt wurde. Auch J. St. Mill hat im Zusammenhange mit der Produktionkostentheorie seine metallistische Anwandlung. Senior meint, die ganze Welt könne als eine große Gemeinde betrachtet werden, die Gold und Silber für Geldprägung benötigt und dann den Wert der anderen Waren durch die Produktionskosten an denjenigen der Edelmetalle misst.

Die englische Literatur gelangt durch Anwendung der objektiven Werttheorie zu einer Ansicht über das Wesen de Geldes, welche den Warencharakter desselben betont. In der deutschen Literatur kommt Knies zu einer ähnlichen Auffassung auf Grund der subjektiven Wertlehre. Knies behauptete, das Geld sei der Träger eines gemeinsamen Gebrauchswertes, da der Wert nur durch ein wertvolles Gut gemessen werden kann. Sonach muss das Geld als Ware, also auf Grund seines Metallgehaltes Wertmaß sein. Die Annahme, das Geld sei bloß Wertzeichen, hält Knies für ebenso absurd, als wenn jemand daran glauben würde, auf Befehl des Staates könnte ein Maß in zehn, oder Blei in Silber verwandelt werden. Auch Pareto, ein entschiedener Vertreter der subjektiven Wertlehre, definiert das Geld als eine Ware, in welcher der Wert der übrigen Waren gemessen wird. Noch deutlicher spricht sich Gide aus, indem er den Preis als ein Verhältnis bezeichnet, welches den Wert der Ware im Werte einer gewissen Gewichtsmenge von Gold und Silber ausdrückt. Und Roscher meint: „Die falschen Definitionen von Geld lassen sich in zwei Hauptgruppen teilen, solche, die es für mehr, und solche, die es für weniger halten als eine Ware.“

Da wir den Geldbegriff bei vielen Autoren - wenn auch vielleicht oft halb unbewusst -, so ganz auf jenem des Edelmetallgeldes aufgebaut finden, können wir der Ansicht von Mises nicht beipflichten, wenn er den Begriff des Metallismus einfach für ein von Knapp erfundenes Phantom hält (Vergleiche Mises: Zur Klassifikation der Geldtheorie. Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik. Band LXIV. Seiten 198-213.). Gewiss ist es unberechtigt, jede Geldtheorie des Metallismus zu zeigen, welche den Gutscharakter des Geldes oder den Einfluss des Metallgehaltes auf den Wert der Münzen anerkennt (So führt z. B. Knapp in seiner Vorrede Hermann als Metallisten an, obgleich er nichts weniger als Metallist war.). Es ist aber nicht zu leugnen, dass viele Theoretiker sich zu stark an die Münze und deren Inhalt klammern und die Tatsache, das Metallgeld allein habe bisher den Gelddienst befriedigend versehen, mit dem Wesen des Geldes verwechseln. Nicht einer der Autoren, die über Geld geschrieben haben, sondern so manche von ihnen, sind in der Vorstellung befangen, der Metallgehalt sei das im Gelde gelegene Wertmaß und gehöre zum Wesen des Geldes.

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Wenn auch nicht der eigentliche Metallismus, so hat doch jene Richtung der Geldtheorie viel zur Klärung des Wesens vom Gelde beigetragen, welche den Warencharakter desselben betonte. Jene Gedankenreihe, welche mit Buridan einsetzte, war in Anbetracht der älteren Vorstellung vom Gelde eine unentbehrliche Stufe der Entwicklung der Geldtheorie. Sie war es, welche die Geldtheorie auf den Boden der Katallaktik, also auf eine werttheoretische Grundlage hinüberführte. Ihr ist es zu danken, dass die Ansicht ins Wanken geriet, Geld und Geldwert seien etwas willkürliches. Womit also die Warentheorie des Geldes die Geldtheorie bereicherte, besteht vor allem in der Erkenntnis, das Geld sei keine willkürliche Einrichtung, sondern ein natürliches Produkt der wirtschaftlichen Entwicklung. Auch ist die Erkenntnis ihr zu danken, dass das Geld den allgemeinen Wertgesetzen untersteht und der Staat sonach dem Gelde gegenüber nicht souverän ist.