. Grundproblem der volkswirtschaftlichen Theorie - 60 bis 62

60 Die Gegner der Warentheorie

Wenn die Konventionstheorie auch im Laufe der Zeit aufgegeben werden musste, so konnte jener Gedanke, dass das Geld sich von den Waren seinem Wesen nach unterscheidet, nicht verschwinden. Wenn das Geld von vielen als die verkehrsfähigste Ware definiert wurde, so lag darin zwar eine gewisse Anerkennung seiner Eigenart; als ganz selbständige wirtschaftliche Kategorie war das Geld aber hiermit nicht anerkannt. Übertrieb die Konventionstheorie den Unterschied zwischen Geld und Ware ungebührlich, so schien wiederum die den Warencharakter des Geldes hervorhebende Richtung sich zu stark an den Materialwert des Geldes zu halten, und hierüber zu vergessen, dass das Geld als solches, wenn es auch aus einem wertvollen Stoffe hergestellt wird, doch andere Funktionen versieht, und deshalb auch anders zu beurteilen ist, als die Waren. Hierin hat die neuere Geldtheorie ihren Ursprung.

Sie ist nicht einheitlich, obzwar sie darin übereinstimmt, dass sie bewusst die Eigenart und das Wesen, also sozusagen die Idee des Geldes herauszuarbeiten bemüht ist. Ihrem Ursprunge nach können wir zwei Hauptrichtungen unterscheiden: die Anweisungstheorie, als deren Abart die romantische Geldtheorie bis zu einem gewissen Grade zu betrachten ist, und die Funktionstheorie. Gemeinsam ist ihnen, dass sie das Geld als Verkehrsinstrument erkennen und die Zirkulations- und Tauschfunktion desselben herausarbeiten.

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Die Anweisungstheorie berührt sich in ihrem Ursprunge vielfach mit der Konventionstheorie. Sie stellt das Geld mehr oder weniger schroff den Waren gegenüber, legt weniger oder gar kein Gewicht auf die Wertmaßfunktion desselben, betont hingegen die Rolle als Rechnungseinheit. Sie betrachtet das Geld als eine Anweisung auf Güter oder ein Zeichen des Wertes. Der Geldstoff ist für sie eine Zugabe, welcher zwar historisch verständlich, doch für den Geldbegriff nichts wesentliches ist.

Als ein hervorragender Vertreter dieser Auffassung kann der Zeitgenosse Smithens, James Steuart betrachtet werden, nachdem schon Berkeley (1735) das Geld als „ticket“ oder „counter“ (also Billet oder Zähler) bezeichnet hat. Steuart betont, dass Geld und Münze ihrem Wesen nach verschieden sind. Das Geld, wonach man rechnet - und erst in der Geldrechnung kommt das Wesen zum Vorschein - ist seiner Ansicht nach nichts weiter, als ein willkürlicher Maßstab gleicher Teile, welcher zur Ausmessung des respektiven Wertes verkäuflicher Dinge erfunden worden ist. Das Geld ist also ein idealer Maßstab, welcher natürlich auch durch kostbare Metalle verwirklicht werden kann, da er ja ganz willkürlich ist. Steuart sucht also das Wesen des Geldes in der Rechnungseinheit. Andere Autoren machen sich die Sache leichter, indem sie ganz einfach im Gelde eine Anweisung auf Waren erblicken. In der deutschen Literatur tritt besonders S. Oppenheim (Vergleiche S. Oppenheim, Die Natur des Geldes. Mainz 1855. Seite 45) (1855), der sich von der Konventionstheorie schon ganz losgemacht hat, scharf der Warentheorie des Geldes entgegen. Er erblickt das Wesen der Ware darin, dass sie einen Gebrauchswert besitzt; dieser aber geht dem Gelde ab. Daher ist für ihn das Geld ein „Zeichen, welches beweist, dass wir eine gewisse abstrakte Größe, eine Tauschwertgröße und nicht eine bestimmte Materie von anderen zu bekommen haben“. Wenn Oppenheim das Geld als ein Zeichen des Verkehers anspricht, so wird es von anderen, so z. B. von C. Murhard als eine Anweisung auf Waren betrachtet.

Ähnliche Gedankengänge beherrschen die romantische Geldtheorie, welche besonders den Einfluss des Staates auf das Geld hervorkehrt. Das Geld als Gesellschaftsprodukt, als Mittel der wirtschaftlichen Verbundenheit der Mitglieder der Gesellschaft steht für sie im Vordergrund.

So sucht Fichte in seinem „Geschlossenen Handelsstaat“ die Idee des Geldes darin, dass es ein Wertzeichen, eine Anweisung auf wertvolle Gegenstände sei, wobei seiner Ansicht nach der Stoff etwas ganz gleichgültiges ist. Dieses Geld, welches dem wirklichen Wesen des Geldes entspreche und im geschlossenen Handelsstaate zu verwirklichen wäre, würde durch den Wille des Staates zum Gelde werden und der Staat könnte zu Geld machen, was er für zweckmäßig hält. Auch Adam Müller sieht zwischen dem Wesen des Geldes und den Funktionen des Staates einen wesentlichen Zusammenhang. Das Geld ist für ihn ein wesentlicher Bestandteil des Staates, ein Werkzeug jener Vergesellschaftung, das heißt, Verbindung der Einzelnen zu einem organischen Ganzen, welche im Staat verwirklicht wird. Doch wird von Müller die wirtschaftliche Seite des Geldes mehr gewürdigt als von Fichte. Diese organische Auffassung vom Gelde baut Spann weiter aus, indem er das Geld als Kapital höherer Ordnung, d. h. als „die leibhaftigste und aller gegenwärtigste Erscheinungsform der gemeinsamen, der staatlichen Mithilfe an der wirtschaftlichen Tätigkeit“ betrachtet.

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Alle diese Autoren haben nichts mehr von der Verehrung der Edelmetalle; ihrer Überzeugung nach kann auch ein entsprechend geregeltes Papiergeld den Dienst des Geldes versehen. Ja Gr. Buquoi sieht sogar das Ideal des Geldes im Papiergeld am vollständigsten verwirklicht.

61 Die staatliche Theorie des Geldes

Wir sahen, dass in älteren Zeiten der Zusammenhang zwischen Staat und Geld als etwas mehr oder weniger selbstverständliches betrachtet wurde. Dieser Gedanke ist denn eigentlich nie ganz zur Ruhe gekommen, und die romantische Geldtheorie berührte sich auch vielfach mit ihm. Mit der größten Schärfe und in entschiedenster Form wurde er in der staatlichen Theorie des Geldes von Knapp vertreten. „Das Geld ist eine Geschöpf der Rechtsordnung, eine Theorie des Geldes kann daher nur rechtsgeschichtlich sein“, mit diesem Worten beginnt Knapp seine Geldtheorie. Der Staat ist es also, welcher dem Gelde sein eigentliches Wesen verleiht, und bevor es den Staat gegeben hat, konnte es wohl nach Knapp Tauschmittel, aber kein eigentliches Geld geben. Das Tauschmittel ist eine Ware, welche einen inneren Wert besitzt und auf Grund desselben als eine, einen bestimmten Wert besitzende Gewichtsmenge zum Austausche anderer Waren benützt wird. Beim Tausche ist die Zahlung eine pensatorische, also es wird eine gewisse Gewichtsmenge, zumeist eine Metallmenge in Tausch gegeben. Dieser Zustand kann jedoch nach Knapp nur so lange dauern, bis sich im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung das Tauschmittel ändert. Beim Übergange von einem Metall auf das andere, z. B. von Kupfer auf Silber, oder von Silber auf Gold muss der Staat als Wächter der Rechtsordnung den Inhalt der bestehenden Schulden in irgendeiner Weise festlegen, das heißt, das Verhältnis zwischen dem alten Tauschmittel und dem neuen durch ihn eingeführten Zahlungsmittel bestimmen. Dies ist der Augenblick, in welchem das Geld entsteht. Der valutarische Anschluss, das heißt die Bestimmung des Verhältnisses von früheren Tauschmitteln zu dem vom Staate eingeführten Gelde wird durch eine Proklamation des Staates bewirkt, und sonach ist die Geltung des Geldes eine proklamatorische, weil durch die Proklamation des Staates geschaffene.

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Hierdurch wird der Inhalt, das heißt der Metallgehalt des Geldes ausgeschaltet, wenigstens insofern er die Rolle des Geldes berührt. Die Zahlung wird nicht mehr pensatorisch, sondern rein chartal, das heißt, sie wird auf jenen Umstand gegründet, dass die zur Zahlung verwendeten Stücke durch den Staat gestempelt und mir einer Geltung versehen werden. Hierdurch wird der ganze Charakter der Zahlung, wie auch der hierzu verwendeten Mittel verändert. Das Tauschgut besitzt einen Wert, das Geld hingegen hat nur eine Geltung. Das Geld dient als Werteinheit, jedoch nicht in der Weise, dass etwa der Stoff der Münze bewertet würde. Die Werteinheit ist, wie sich Knapp ausdrückt, nominal geworden, das heißt, sie hat ihren inneren Wert verloren. Der Grund hierfür liegt nicht bloß darin, dass das Geld durch die Proklamation des Staates geschaffen wurde, sondern auch in jenem Umstand, dass das Geld bloß eine zirkulatorische Befriedigung gewährt, dass es also dazu dient, immer von neuem in Verkehr zu gelangen. Es wird nur zu diesem Zwecke begehrt.

62 Der Nominalismus

Knapps Werk, welches im Jahre 1905 erschienen ist, hatte einen überwältigenden Erfolg. Der Streit um das Wesen des Geldes war durch dasselbe von neuem entbrannt, und die Geldlehre trat in den Mittelpunkt des theoretischen Interesses. Wenn wir das seitherige Schrifttum über das Geld durchfliegen, so werden wir Knapps Einflüssen fast überall begegnen, und auch die Gegner mussten sich mit Knapp auseinandersetzen.

Den großen Erfolg verdankt das Knappsche Werk nicht seinem Grundgedanken, wonach das Geld eine Schöpfung der Rechtsordnung sei. Hierin war ja nichts neues gelegen, denn diesen Standpunkt vertrat schon der größte Teil der alten akatallaktischen Geldtheorien. Was die neueren Autoren von den Gedankengängen Knapps anzog, war der Gedanke des Nominalismus, welcher zwar, wie wir sahen, in der Anweisungstheorie auch schon vor Knapp Vertreter gefunden hat, die aber diesem Gedanken nicht jene scharfe Fassung gaben, welche ihm Knapp verlieh. Der scharfe Gegensatz, welchen Knapp zwischen pensatorischer Zahlung und zirkulatorischer Befriedigung aufstellte, hat nicht nur der alten Zeichentheorie neue Nahrung gegeben, sondern auch neue Gedanken geweckt.

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Ohne Rückhalt haben sich wohl wenige der Knappschen Auffassung angeschlossen. Am meisten Bendixen und Dahlberg. Das zu starke Hervorkehren des rechtlichen Elements im Gelde und das Beiseiteschieben der wirtschaftlichen Seite des Problems wurde als großer Mangel empfunden. Der Gedanke der Nominalität der Werteinheit aber fand unter den scharfsinnigen Theoretikern der Gegenwart großen Anklang. So fasst Schumpeter das Geld als Hilfsmittel zur Abwicklung des Geschäftsverkehrs und als einen Diener der Vorgänge in der Güterwelt auf. Der alte, schon von Berkeley gebrauchte Ausdruck „ticket“ wird von Schumpeter aufgefrischt, indem er das Geld als „eine bescheinigende Anweisung“ auf Güter bezeichnet. Eigenwert kann das Geld seiner Ansicht nach nicht besitzen, denn es ist „ ein technisches Hilfsmittel des Wirtschaftsverkehrs, eine Spielmarke ohne Eigenbedeutung“. Es ist überhaupt der Gedanke einer abstrakten Rechnungseinheit, welcher in dieser Richtung vorherrscht. Theoretiker, die sonst auch in ihren Ansichten über das Geld oft auseinander gehen, ja sogar, wie z. B. Amonn und Liefmann scharfe Fehden miteinander ausfochten, stimmen so ziemlich darin überein, das Geld sei eine abstrakte Recheneinheit, welche das Aufbauen der Volkswirtschaft auf die Preisrechnung ermöglicht. Sie wird es von Cassel als Rechungsskala bezeichnet, in der die Preise der Güter berechnet werden. Auch Zwiedineck-Südenhorst und Federn berühren sich mit dieser Auffassung. Ein typischer Vertreter des Nominalismus ist K. Elster, wenn er meint, „das Geld kann nur ein reiner Zahlenbegriff sein, da Zahlenverhältnisse (Einkommen und Preise) eines weiteren Ausdrucks als dessen Zahlen (eben in Geld) nicht mehr fähig sind.“ Auch er definiert das Geld als die „rechnerische Einheit“ des Wirtschaftslebens. Ein geistvoller Japaner, Kiichiro Soda hat es versucht, das Wesen des Geldes als die reine Form für den wirtschaftlichen Wert abzuleiten.

Der so entwickelte Nominalismus ist demnach nicht mit jenem Knappes identisch. Er berührt sich nur mir demselben. Auch ist es nicht richtig, trotz des manchmal unterlaufenden Ausdruckes, das Geld sei eine Anweisung, den Nominalismus einfach mit der alten Anweisungstheorie zu identifizieren. Sein Schwerpunkt liegt nicht in der Auffassung des Geldes als Anweisug, sondern in der Hervorkehrung des rein zahlenmäßigen Charakters, welcher das Geld zur Rechnungseinheit macht.