. Grundproblem der volkswirtschaftlichen Theorie - 63 bis 66

63 Die Funktionstheorie

Woraus Knapp mit vollem Rechte ein Vorwurf gemacht wurde, ist die Vernachlässigung der wirtschaftlichen Seite der Gelderscheinung, wie dies schon einer der ersten und zwar wohlwollenden Kritiker Knapps, Lexis ihm vorwarf. Jene Geldtheorie, welche das Wesen des Geldes aus seinen Verrichtungen zu erklären sucht, können wir als Funktionstheorie bezeichnen.

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Diese berührt sich in ihren Anfängen einigermaßen mit der Anweisungstheorie, da sie auch gegenüber der Warentheorie die Eigenart des Geldes betont. Die Waren werden gegen Waren getauscht, und das Geld ist bloß Vermittler. Dies ist so beiläufig der Gedankengang von Hume. Diesen reinen Mittelcharakter des Geldes versuchte man dann später noch entschiedener festzuhalten, wie es insbesondere Pantaleoni und Smart tun.

Hierbei aber wird der selbständige Wert des Geldes nicht geleugnet. Hufeland definiert das Geld als ein Gut, welches Wert besitzt. Diesen Wert aber sucht Hufeland nicht im Gebrauchswerte, sondern im Tauschwerte des Geldesy, denn der Zweck desselben sei ja, von Hand zu Hand gegeben zu werden. Hiermit war der entscheidende Schritt getan, denn der Geldwert wurde nun außerhalb des Warenwertes der Münze erfasst.

Ähnliche Gedankengänge verfolgt Walker. Auch er hält sich an die Tauschvermittlungsfunktion des Geldes und stellt den Geldbegriff auf diese, indem er unter Geld alles versteht, was eine solche Umlaufsfähigkeit erlangt hat, welche bewirkt, dass es, ohne Konsumtionszwecken zu dienen, allgemein begehrt wird. Die Ausschließung des schlechten Geldes aus dem Begriffe des Geldes, meint Walker, sei kein geringerer Irrtum, als wenn man Spirituosen nicht als Getränke betrachten wollte, weil ihr Genuss schädlich sein kann. Auch Heyn, der sonst der staatlichen Theorie vorarbeitete, leitet den Wert des Geldes aus seiner Umlaufsfähigkeit ab und ist der Überzeugung, das Geld besitze selbst Wert, ohne dass derselbe sich an den Materialwert der Münze klammern müsste. Dieser Wert stützt sich seiner Ansicht nach auf die gesetzlich festgestellte und durch das Bestehen von Geldschuldverpflichtungen materialisierte Zahlkraft und auf die Kaufkraft des Geldes. Demgemäß hat auch das Papiergeld, welches schon Walker in den Geldbegriff einbezog, einen in sich ruhenden Wert, welcher nicht durch den Staatskredit, sondern durch seine Zirkulationsfähigkeit und dadurch gestützt wird, dass es nicht ohne Kosten beschafft werden kann. Es ist der werttheoretische Anschluss, ohne an den Materialwert des Geldes anzuknüpfen, welcher in den Ausführungen der Vorläufer der neuesten, vom Nominalismus freien Geldtheorie zum Ausdruck kommt.

Deshalb musste sich auch die Behauptung, die Grenznutzenlehre können nichts für die Geldlehre leisten, als irrig erweisen. Eben das Verhältnis zu der Werttheorie bereitete soch die größten Hindernisse für die Herausarbeitung eines richtigen Geldbegriffes, und so konnte eine verbesserte Werttheorie niht ohne Nutzen für die Geldtheorie bleiben. Sie ermöglichte eine Erklärung des Geldwertes mit Bezug auf die Einkommensverteilung, wodurch sie das Hindernis aus dem Weg räumte, welches die Geldtheorie in das Joch des Nominalismus zwang, wenn sie das Geld nicht als Ware betrachten wollte. Sie zeigte also, dass das Geld auch als reines Tauschmittel einen selbständigen Wert, wie jedes andere Gut, besitzen muss.

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Diese Richtung der Geldtheorie ist sowohl mit der Warentheorie des Geldes als auch mit dem Nominalismus im Gegensatz. Trotzdem hat sie einen Berührungspunkt mit der staatlichen Theorie. Auch sie betont (insbesondere in der Fassung von Wieser) die Knappsche Zahlungsgemeinschaft, jedoch in einem anderen Sinne, indem sie das wirtschaftliche und nicht das rechtliche Moment der Zahlungsgemeinschaft hervorkehrt. In dieser Form passt sie auch vollständig in jenen Gedankengang, welcher gegenüber der Wertmaßfunktion des Geldes die Tauschmittelfunktion desselben betont. Dass sie trotzdem nicht zur Anweisungstheorie gelangt, ist dem Umstande zuzuschreiben, dass sie an der werttheoretischen Grundlage festhält und so einen wirklichen, nicht bloß fingierten Wert als unerlässliches Element des Geldes betrachtet.

B Das dynamische Geldwertproblem

64 Die mechanische Quantitätstheorie

Das Interesse am dynamischen Geldwertproblem erwachte zu einer Zeit, zu welcher ein Geldwertbestimmungsgrund stark in den Vordergrund trat. Es war dies das 16. Jahrhundert, welches durch eine allgemeine Preissteigerung in Europa gekennzeichnet wird. Diese trat im Anschlusse an jenen Edelmetallstrom, an den Tag, welcher die Folge der Erschließung der neuen Welt war. Es ist wahrlich leicht zu verzeihen, wenn dieser Umstand die Beobachtung der Forscher so stark beeinflusste, dass die auf den Gedanken kamen, die Senkung des Geldwertes sei einfach die Folge der eingetretenen Vermehrung des Geldvorrates.

Die Beobachtung, dass sich der Wert der Güter mit zunehmender Menge vermindert, stützte diesen Gedanken. Auf diese Weise entstand jene Geldwerttheorie, welche allgemein unter dem Namen der Quantitätstheorie in der Volkswirtschaftslehre bekannt ist. Ihr Inhalt ist kurz dahin zusammenzufassen, dass sich der Geldwert im umgekehrten Verhältnis zur Geldmenge ändert. Dies besagt, dass falls die Geldmenge zunimmt, die Preise proportional steigen und umgekehrt.

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Jean Bodin war es, der zuerst auf die Edelmetallvermehrung als Geldwertbestimmungsgrund die Aufmerksamkeit lenkte. Bald fand dieser Gedanke in Hales und in Davanzati Vertreter. Besonders letzterer gab dieser Theorie eine scharfe Fassung, indem er den Satz aufstellte, die Veränderung des Geldwertes müsse der Vermehrung der Geldmenge proportional sein. Wenn die späteren Autoren die Quantitätstheorie auch nicht immer in dieser Form vertreten, so besteht der Hang hierzu doch ziemlich allgemein. Als Vertreter der Quantitätstheorie können wir Mun, Vaughan, Montanari und Law nennen. Auch in Locke gewann sie einen hervorragenden Anhänger, obzwar letzterer schon gewisse Einschränkungen machte.

Betrachten wir jenen Gedankengang näher, welchem die Quantitätstheorie ihrem Ursprung verdankt, so ist es unverkennbar, dass hierbei die Vorstellung vom Warencharakter des Geldes die Hauptrolle spielte. Sie war eine Frucht der katallaktischen Geldlehre, welche sich den Geldwert in naher Anlehnung an den Warencharakter des Geldes vorstellte. Die Vermehrung der Edelmetallmenge und die Zunahme der Geldmenge wird hierbei als gleichbedeutend behandelt, und das allgemeine Wertgesetz, wonach der Wert mit der Zunahme der Menge abnehmen müsse, wird einfach auf das Geld angewandt. Hieraus ist zu ersehen, dass jeder Warentheorie des Geldes ein Hang zur Quantitätstheorie innewohnt. Das Übersehen der auf der Warenseite wirkenden Kräfte ist wohl charakteristisch für die Mehrzahl der Quantitätstheoretiker jener Epoche, ohne dass dieser Standpunkt untrennbar mit der Quantitätstheorie verbunden wäre.

65 Die Produktionskostentheorie

Wie die Quantitätstheorie, so ist auch die Ansicht, der Geldwert regle sich nach den Produktionskosten der Edelmetalle, einer Vortellung vom Gelde entsprungen, welche den Warencharakter des Geldes vor Augen hatte. In der einen, wie in der anderen Theorie liegen eben zunächst jene Bestrebungen vor uns, welche der Erkenntnis folgten, dass das Geld ebenfalls nicht außerhalb der ökonomischen Gesetze stehen kann. Wurde bei den Waren beobachtet, dass ihre Menge, bzw. der Aufwand, welcher für ihre Herstellung gemacht werden muss, den Wert beeinflusst, so wurde dieser Zusammenhang auf das Geld übertragen. Hielt man zu jener Zeit die Produktionskosten für den Regulator des Wertes überhaupt, so schien es nur natürlich, auch den Geldwert aus ihnen abzuleiten, nachdem auch das Geld als Gut erkannt wurde.

Wie bekannt, war Petty einer der ersten der ausgesprochenen Vertreter des Kostenstandpunktes in der Werttheorie. Er war es auch, der den Geldwert auf dieser Grundlage zu erklären suchte. Da sich das Geld für ihn als Münze in einem Stücke Edelmetall verkörperte, konnte er den Gedanken nicht zurückweise, der Geldwert müsse durch die Produktionskosten der Edelmetalle bestimmt werden. Auch hier müsse, - meint Petty - jener Aufwand an Land und Arbeit wertbestimmend sein, welcher zur Gewinnung der als Geld gebrauchten Edelmetalle gemacht werden muss.

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Den weiteren Ausbau dieser Theorie besorgte Senior. Der Umstand, dass er unter den Produktionskosten seiner Werttheorie gemäß die zur Gewinnung der Edelmetalle nötige Enthaltsamkeit und Arbeitsmenge versteht, ist hierbei nebensächlich. Womit Senior die Produktionskostentheorie des Geldwertes bereicherte, besteht in der Einführung des Grenzgedankens in diese Lehre. Nicht einfach die Produktionskosten, sondern die Grenzkosten der Edelmetallproduktion sind es, welche seiner Meinung nach den Geldwert bestimmen. Die letzte Mine, welche zur Deckung des Geldbedarfes noch herangezogen werden muss, bestimmt durch ihre Produktionskosten den Geldwert. In einer anderen Richtung wurde die Produktionskostentheorie durch Cairnes modifiziert. Er legt das Gewicht auf die Unterscheidung von edelmetallproduzierenden und -einführenden Ländern. Der Einfluss einer Veränderung der Produktionskosten zeigt sich direkt nur dort, wo Edelmetalle produziert werden. Im Wesen ändert dies aber nicht viel an der Produktionskostentheorie, da Cairnes annimmt, dass die so in den Produktionsländern der Edelmetalle eintretende Geldentwertung sich auch auf die anderen Länder verpflanzen muss. Besonders in Frankreich fand die Produktionskostentheorie zahlreiche Vertreter, und auch in Deutschland wurde sie durch Jakob angenommen. In Amerika vertrat sie Carey, der natürlich auch hier die Reproduktionskosten an die Stelle der Produktionskosten stellte.

Seine Stütze musste die Produktionskostentheorie im Lager der Sozialisten finden. Auch ihre Wertlehre steht ja auf der Grundlage der Produktionskosten, welche bei ihnen bloß als Arbeitskosten in Betracht kommen. Auf diese Grundlage baute Marx eine, von seinem Standpunkte aus gut fundierte Geldwerttheorie auf. Da der Verkehr in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung durch Geld vermittelt, und sonach der Preis in Geld gezahlt wird, das sich an den Warenwert des Goldes anlehnt, so ist letzten Endes die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche die Produktion eines gewissen Quantums Gold erfordert, der Regulator des Geldwertes. Auch Loria erklärt den Geldwert aus den Produktionskosten der Edelmetalle. Nur fasst er den Begriff der Produktionskosten breiter, als Marx und führt durch den Grenzgedanken beeinflusst in die Theorie wieder den Gedanken der Grenzkosten ein. Auch Carvers Ansicht berührt sich mit diesem Standpunkte, und auch Oppenheimer gibt eine ähnliche Erklärung, welche aber außer den Kosten auch der Monopolstellung des Staates bei der Geldausgabe eine Rolle einräumt. Auch von Gelesnoff werden diese beiden Momente zur Erklärung des Geldwertes herangezogen.

Übrigens vertragen sich die Produktionskostentheorie und die Quantitätstheorie sehr gut miteinander. Vor allem beeinflussen die Produktionskosten, wenn es sich um Hartgeld handelt, selbstverständlich die Geldmenge, andererseits haben beide Theorien in ihrer ursprünglichen Fassung das Geld in seiner Wareneigenschaft zur Grundlage. So ist es verständlich, dass schon Cantillon, dann Ricardo, Malthus und Stuart Mill in ihrer Geldwerttheorie beiden Faktoren einen Platz einräumen; ähnlich auch Wagner.

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66 Die Verfeinerung der Quantitätstheorie

So einfach sich die Quantitätstheorie anfangs darstellte, mussten doch langsam so manche Bedenke ihr gegenüber erwachen. So musste vor allem die Erwägung sich regen, dass die Geldstücke zur Zirkulation bestimmt sind, und deshalb nicht auf solche Art aus dem Umlaufe verschwinden, wie die für den Konsum oder für die Produktion bestimmten Waren. Schon Locke streifte diesen Gedanken; Cantillon und Stuart Mill vertieften ihn weiter. So wurde die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in Erwägung des Umstandes in die Geldwerttheorie eingeführt, dass mit derselben Menge Geldes auch ein größerer Umsatz abgewickelt werden kann, falls die Geldstücke rascher von Hand zu Hand gehen.

Es konnte auch nicht lange unbeachtet bleiben, dass die Edelmetalle, durch deren Menge sich nach der Quantitätstheorie die Geldmenge bestimmt, nicht nur monetären, sondern auch industriellen Zwecken dienen und auch der Schatzbildung zugeführt werden können (Horte).

Obzwar sich für die Quantitätstheorie schon durch die Einführung des Begriffes der Umlaufgeschwindigkeit, dann insbesondere auch durch die Betonung der Beeinflussung der Preise von der Warenseite her Einschränkungen, bzw. Modifikationen ergaben, so lag die größte Schwierigkeit anderswo. Als die Quantitätstheorie ihre Laufbahn begann, herrschte noch der Edelmetallverkehr vor. Im Laufe der Zeit änderte sich dies erheblich. Es kam die Periode der Papiergeldwirtschaft, dann die Entfaltung des Kreditwesens. Wollte man sich nicht mir einem völlig wirklichkeitsfremden Begriff der Geldmenge begnügen, so konnten Papiergeld und Banknoten nicht unberücksichtigt bleiben. Anfangs versuchte man die Quantitätstheorie ganz einfach auch auf das Papiergeld anzuwenden; so Ricardo und seine Schule. Doch schon die Ausführungen von Tooke und Fullarton brachten den Begriff der Geldmenge, von welchem Fetter treffend sagte, dass seine richtige Fassung die Voraussetzung für eine Geldwerttheorie ist, mit der Kreditschöpfung in Verbindung. Dies führte wiederum zu der Erkenntnis, dass die Geldmenge selbst viel elastischer ist, als die primäre Quantitätstheorie annahm. Seitdem ist auch das Bestreben darauf gerichtet, den Begriff der Geldmenge in Verbindung mit dem Kredite zu fassen, indem hierbei nicht nur die Banknotenausgabe, sonder die gesamte Kreditschöpfung (der gesamte Bankkredit) in Betracht gezogen wird.

Allerdings wird so der entscheidende Begriff der Geldmenge viel labiler, als er bei der alten, als „naive“ Abart bezeichneten Quantitätstheorie war. Es wird auch viel mehr Gewicht darauf gelegt, jene Faktoren eingehender zu prüfen, welche die Geldmenge bestimmen. Einen beachtenswerten Versuch in dieser Richtung hat z. B. Hawtrey unternommen. Er kommt zu dem Ergebnisse, dass der „unausgegebene Spielraum“, also der der Verwendung harrende Betrag von Geld und Bankkrediten als die für die Preisbestimmung maßgebende Geldmenge anzusehen sei.

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Jedenfalls wird die Quantitätstheorie durch diese Erwägungen ihres mechanischen Charakters entkleidet und erheblich lebenswahrer gestaltet. Je organischer dann der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen aufgefasst wird, desto mehr verschwindet der Proportionalitätsgedanke, wonach die Preisänderung im Verhältnis der Änderung der Geldmenge vor sich geht.