. Grundproblem der volkswirtschaftlichen Theorie - 11 bis 12

11 Rückblick auf die Entwicklung der objektiven Werttheorie

Die objektive Betrachtung des Wertproblems kann das Verdienst für sich beanspruchen, es zuerst zu einer geschlossenen Werttheorie gebracht zu haben. Zu einer Zeit, wo die Versuche das Wertproblem auf subjektiver Grundlage zu erklären, sich noch in einem ganz nebelhaften Zustande befanden, hat die objektive Betrachtungsweise schon eine Erklärung für den Wert gehabt.

Sie hat zuerst ihren Blick darauf gerichtet, dass das Verhältnis der Güter zueinander, ihre verschiedene Geltung im Wirtschaftsleben nichts willkürliches ist. Sie hat ferner erkannt, dass objektive Tatsachen auf diese Geltung Einfluss haben, und dass in der Bewertung der Güter etwas Überpersonales steckt, was einer allgemeinen Geltung nahekommt. Des weiteren hat sie die Tatsache in ihrer großen Bedeutung erfasst, dass die Produktivitätsbedingungen den Wert beeinflussen.

Freilich handelte es sich bei der objektiven Betrachtung nur um eine Beziehung der wirtschaftlichen Geltung, nur um den Tauschwert, welcher zur Erklärung der Austauschverhältnisse der Güter dient. Nicht die Bedeutung der Güter für die Wirtschaftssubjekte schlechthin, sondern bloß ihre Bedeutung vom Standpunkte ihrer Austauschbarkeit war auf dieser Grundlage zu erklären. Dies jedoch scheinbar in einer einwandfreien Weise.

Allein es musste sich zeigen, dass bei der Durchführung des Grundgedankens der Kostenwerttheorie sich von Schritt zu Schritt neue Schwierigkeiten ergaben. Schon Ricardo fühlte diese in hohem Maße. Erstens sah er schon klar, dass der Wert es nicht nur mit den Kosten, sondern auch mit der Seltenheit der Güter zu tun hat. Er suchte dieser Schwierigkeit dadurch aus dem Wege zu gehen, dass er Seltenheitsgüter und reproduzible Güter (d. h. beliebig vermehrbare Güter) unterschied. Diese Unterscheidung bedeutete jedoch eine erste Durchbrechung des Kostenprinzips, weil dasselbe nur für die zweite Gruppe, für die beliebig vermehrbaren Güter aufrecht zu halten war. Allein auch bei diesen erkannt er - wie wir sahen, - die Schwierigkeit, welche in der Verwendung stehenden Kapitals liegt. Hierin lag schon die Konzession, dass auch das aufgewendete Kapital, wenn es in den Gütern in verschiedenem Maße vorhanden ist, Abweichungen vom reinen Arbeitswertprinzip verursacht, welche seiner Ansicht nach allerdings in einer allgemeinen Formulierung des Wertprinzipes vernachlässigt werden dürfen (Ricardo hat das Arbeitsprinzip auch in einer anderen Richtung durchbrochen. Er hat, wie später zu zeigen sein wird, für den auswärtigen Handel den Satz aufgestellt, dass Produkte von verschiedenen Arbeitsaufwande für einander ausgetauscht werden können und sonach der Wert hier nicht dem Verhältnisse der Arbeitsmengen entspricht. Auf diese Durchbrechung des Arbeitswertprinzipes haben schon Patten und Diehl und neustens Efflen aufmerksam gemacht. Eigentlich hat Ricardo hiermit, allerdings nur bezüglich des auswärtigen Handels, das Argument Cairnes bezüglich der nicht im Wettbewerb stehenden Gruppen, vorweggenommen).

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Dieser Vernachlässigung aus dem Wege zu gehen, versuchte Senior durch die Zweiteilung des Kostenbegriffes in Arbeits- und Entsagungsopfer. Scheinbar war nun auch der Mitwirkung des Kapitals in der Produktion Rechnung getragen; Mühe und Entbehrung schienen der Doppelnatur der Kostenelemente gerecht zu werden. Kaum war dieser Standpunkt erreicht, fügen J. St. Mill und Cairnes diesen Kostenelementen in der Verlustgefahr (im Risiko) des Unternehmens ein drittes hinzu. Gleichzeitig erschütterte jedoch Cairnes das ganze Kostenprinzip in einer bedenklichen Weise dadurch, dass er auf die Hindernisse des freien Wettbewerbes hinwies, welche den Übergang der Arbeit aus einem Produktionszweig in den anderen hemmen und so zu den gegenseitig nicht im Wettbewerb stehenden Gruppen führen, unter welchen ein freier Ausgleich der zuströmenden Arbeitsmengen verhindert ist. Er deckte hierdurch eine große Schwäche des Kostenprinzips auf, denn er beleuchtete jene Umstand, dass sich das Kostenprinzip nur auf Grund des freien Wettbewerbs, d. h. der freien Bewegung der Produktivkräfte durchsetzen könne. Das Vorhandensein nicht im freien Wettbewerb stehender Gruppen musste als nicht zu unterschätzendes Hindernis erkannt werden. Aber steht die Sache beim Kapital nicht ähnlich? Einen erheblichen, und zwar stets wachsenden Teil desselben bildet doch das stehende Kapital, dessen Übergang von einem Produktionszweig in den anderen wenigstens solchen Schwierigkeiten begegnet, wie die Überführung der Arbeit von einer Arbeitsart in die andere.

Sehr lehrreich führte Patten aus, wie diese Ergänzungen und Einschränkungen des Kostenprinzips in gerader Linie zu dem Standpunkte F. A. Walters hinführen, welcher den Satz von der Ausgleichung und von der Allgemeinheit der Kosten fallen lässt und die individuelle Gestaltung der Kosten zum Ausgangspunkte nimmt (Vergleiche S. R. Patten: Die Bedeutung der Lehre vom Grenznutzen. Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik III. Fassung, 2. Band (1891), Seite 492.). Das Kostenprinzip wird hierdurch seiner bisherigen Bedeutung entkleidet und das ganze Wertprinzip jenem Satze Ricardos nahe gebracht, welchen er für die Wertbildung der landwirtschaftlichen Produkte aufstellte, wonach es sich nicht um die Produktionskosten schlechthin, also nicht um das Verhältnis der in den Gütern steckenden Arbeit überhaupt, sondern um den Grenznutzen handelt.

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Die Arbeitswerttheorie machte sich die Sache leichter. Sie hat sich, wie wir sahen, durch ihre Auffassung des Kapitals als vorgetane Arbeit einen einheitlichen Kostenbegriff geschaffen. Doch der Preis hierfür war, Ausschaltung all’ jener Momente, welche nicht mit dem Arbeitsopfer zusammenhängen. Es wird also ganz davon abgesehen, dass die Güter nicht nur jenes persönliche Opfer kosten, welches die Arbeitsmühe dem Menschen auferlegt, sondern auch jene Materie, welche zu verarbeiten ist und ohne welche auch die Arbeit nichts schaffen kann.

Davenport hat in sehr lehrreicher Weise gezeigt, wie die Fassung des Kostenbegriffes zwischen zwei entgegengesetzten Gesichtspunkten schwankt (Vergleich Davenport: Value and Distribution. Chicago 1908.). Einerseits wird der Kostenbegriff in einer Weise zu fassen gesucht, welche das ursprüngliche Opfer des Menschen bei der Produktion zum Ausdruck bringt, andererseits wird getrachtet, den Begriff vom Standpunkte des Unternehmens der kapitalistischen Wirtschaft zu erfassen. Es ist dies ein Schwanken zwischen der volkswirtschaftlichen und verkehrswirtschaftlichen Betrachtungsweise, welche der klassischen Theorie nicht klar zum Bewusstsein kam. Doch Cairnes bemerkt schon die Unsicherheit des Kostenbegriffes. Seitdem hat die englich-amerikanische Literatur zwei verschiedene Ausdrücke für die zwei Varianten des Kostenbegriffes geprägt, indem der volkswirtschaftliche Kostenbegriff mit dem Worte Cost (Erzeugungskosten), der verkehrswirtschaftliche Kostenbegriff mit dem Ausdrucke Expenses (Geldausgaben) bezeichnet wird.

12 Die Ausgangspunkte der subjektiven Werttheorie

Seitdem über das Wesen des Wertes nachgedacht wird, ist das Bestreben nicht zu verkennen, den Wert als etwas Subjektives, mit der bewertenden Person Zusammenhängendes zu betrachten. Der Gedanke liegt doch zu nahe, dass die Bedürfnisse des Menschen für die Bedeutung maßgebend sind, welche er den Gütern beimisst, das letzten Endes die Güter doch der Sicherung der Wohlfahrt der Menschen dienen.

Der Zusammenhang des Wertes mit den menschlichen Bedürfnissen wurde vor allem von den italienischen Schriftstellern des 16.-18. Jahrhunderts (Davanzati, Montanari, Galiani) gewürdigt und die deutsche Wissenschaft neigt von Anfang an stark diesem Standpunkte zu (J. Fr. E. Lotz, Soden, Hufeland, Rau, Hildebrand, Thomas); in Frankreich fasst Condillac diese Auffassung in dem Satz zusammen: „Denn der Wert liegt weniger in den Dingen, als in unserem Begehren, und dieses ist unserem Bedürfnisse proportional.“ Ja sogar in England, im Mutterland der objektiven Werttheorie, neigt schon Barbon der subjektiven Auffassung zu.

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Allein es war diese Aufgabe, die subjektiven Zusammenhänge der Wertbildung aufzudecken, viel schwieriger als die der äußeren Beobachtung leichter zugänglicher objektiver Faktoren der Wertbildung zu erfassen. Es war wohl klar, dass die Wichtigkeit des Bedürfnisses, welches durch ein Gut befriedigt wird, entscheidend für den Vorgang der Wertbildung sein muss, doch zeigte es sich immer von neuem, dass die Nützlichkeit, welche das Gut besitzt, doch nicht ohne weiteres mit dem Werte zusammenfällt. So kommt es, dass obzwar schon Aristoteles den Gebrauchswert kennt, eine Theorie desselben noch von Smith nicht gegen werden kann.

Das Hindernis, dessen Überwindung nicht gelingen wollte, lag zunächst darin, dass der Nutzen nur als Gattungsnutzen, also nicht wirklich subjektiv gefasst werden konnte. Aber auch dem Begriff der verfügbaren Menge der Güter, dessen Bedeutung für die Wertbildung schon die älteren Theoretiker ahnten, konnte man mit der subjektiven Betrachtungsweise nicht beikommen. So konnten die Bestrebungen, die Wertbildung auf subjektiver Grundlage zu erklären, nicht über die allgemeine Formulierung hinauskommen, dass der Wert von Bedürfnissen der Menschen und von der verfügbaren Menge abhängt.

Mit dem nachfolgenden Link gehen wir mal auf das Thema der Kostenarten und Konten ein.