. Grundproblem der volkswirtschaftlichen Theorie - 13 bis 14

13 Die Grenznutzenlehre

Den ersten Schritt für eine wirklich subjektive Fassung des Wertbegriffes haben einige Mathematiker getan. Vor allem David Bernoulli (1738). Er wurde auf dieses Gebiet durch die Untersuchung der sich aus Glücksfällen ergebenden Vorteil geführt. Laplace und Quetelet folgten auf diesem Wege, indem versucht wurde, den sich aus Glücksfällen für das Subjekt ergebenden Verteil, die moralische Hoffnung oder den moralischen Wert - wie ihn die Mathematiker nannten - von der objektiven mathematischen Wahrscheinlichkeit des Gewinns zu unterscheiden. A. Cournot (1838) und E. J. Dupuit verfolgten diese subjektive Fährte weiter.

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Den entscheidenden Schritt in der Erfassung des subjektiven Wertes hat Hermann Heinrich Gossen (1854) getan, indem er das Problem bei seiner Wurzel anfasste und den Vorgang der Bedürfnisbefriedigung untersuchte. Die von J. Bentham entfaltete utilitaristische Auffassung (Hedonistisches Prinzip) verhilft ihm hierzu, indem er das Ziel des Lebens in der Vermehrung der Lebensgenüsse und der Verminderung der Unlustgefühle erblickt. Die Frage, wie der Lebensgenuss zum Maximum gesteigert werden kann, wird laut Gossen durch die Tatsache entschieden, dass die Bedürfnisbefriedigung mit einer stufenmäßigen Abnahme der Mangelempfindung Hand in Hand geht, bis nach einem gewissen Punkte Sättigung und bei weiterer Fortsetzung des Genusses Übersättigung und direkter Widerwille gegen den Genuss eintritt. Dieses Gesetz der Bedürfnissättigung wurde später (1889) von Wieser zu Ehren seines Entdeckers das Gossensche Gesetz benannt. Wenn aber durch zu reichliche Güterzufuhr bei den Bedürfnissen Übersättigung eintritt, so wird, meint Gossen, das Höchstmaß an Lebensgenuss erreicht, indem die verfügbaren Güter auf mehrere Bedürfnisse so verteilt werden, dass bei keinem Übersättigung eintritt, sondern bei allen Bedürfnissen möglichst ein Gleichmaß an Genuss angestrebt wird. Lexis nannte diesen Satz das zweite Gossensche Gesetz. Es besagt, dass wir alle unsere Bedürfnisse bis zu demselben Sättigungspunkte zu befriedigen trachten.

Sonach ist es nicht richtig, vom Gossenschen Gesetze schlechthin zu sprechen. Es sind zwei Gesetze, welche im Zusammenhange miteinander hierunter zu verstehen sind. Erstens das Gesetz des abnehmenden Genusses bei fortschreitender Befriedigung und zweitens das Gesetz des Genussausgleiches (wir könnten dasselbe auch als das Gesetz vom einheitlichen Grenznutzenniveau nennen, wonach Zuwüchse nicht zur Fortsetzung der Befriedigung ein und desselben Bedürfnisses, sondern für die Befriedigung weiterer Bedürfnisse verwendet wird.

Die grundlegende Leistung Gossens liegt in der Erkenntnis, dass die Bedürfnisse nicht unteilbare Ganze sind, sondern in verschiedenen Intensitätsgraden auftreten. Hierdurch wurde es möglich, den Einfluss der Gütermenge auf die wirtschaftliche Bedeutung der Güter auf die subjektive Grundlage zu fassen, denn Bedürfnis und Gütermenge werden durch das Sättigungsgesetz ihrer Allgemeinheit entkleidet und gezeigt, dass es sich bei der Wertbildung nicht einfach um Bedürfnis- und Gütergattungen, sondern um bestimmte Gütermengen handelt, welchen in der Bedürfnisbefriedigung bestimmte Stärkegrade entsprechen. Auch die Aufteilung der Gütervorräte erweist sich auf dieser Grundlage als nichts willkürliches, sondern durch die oben dargelegte Gesetzmäßigkeit beherrscht.

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Obzwar Gossens Werk lange Zeit hindurch unbeachtet blieb, waren die Vorarbeiten für die subjektive Wertlehre, besonders durch die Arbeiten der auf mathematischer Grundlage stehenden Denker, sowie durch die utilitaristische Schule Benthams, welche eine Untersuchung der Lust- und Unlustgefühle in den Vordergrund rückte, so stark verbreitet, dass ihre weitere Verwertung für die Wertlehre nicht mehr ausbleiben konnte. Es fehlte ja nur mehr die ausdrückliche Feststellung dessen, was den Wert auf subjektiver Grundlage bestimmt. Diesen Schritt taten Jevons (1862); K. Menger (1871) und M. E. L. Walras (1874) ohne zunächst voneinander zu wissen, indem sie ganz im Sinne der von Gossen aufgestellten Gesetze den Maßstab des Wertes in jener Befriedigung bezeichneten, welche die letzte Einheit eines Gütervorrates gewährt. Diesen Nutzen nannte Jevons final degree of utility, Walras utilité finale. Menger hatte noch keine Benennung für diesen Begriff; erst Wieder prägte die deutsche Benennung Grenznutzen.

Hiermit steht die subjektive Werttheorie als Grenznutzentheorie vor uns. Ihrem Wesen nach stützt sie sich auf die beiden Gesetze Gossens, welche die Bedürfnisse als Skalen von verschiedenen Intensitätsgraden und die Bedürfnisbefriedigung als Sättigungsvorgang auffassen. Da auch die meisten Güter in Vorräten vorkommen, welche in unter sich vertretbare Teilmengen zerlegt werden können, wird es möglich, die Vorräte als Quantitäten, also rein mengenmäßig zu behandeln. Dies führt zu dem Schlusse, dass für den Wert eines Gütervorrates nur der Nutzen der letzten noch verfügbaren Einheit, also der Grenznutzen entscheidend ist, da durch den Verlust einer Einheit nur dieser gefährdet ist.

Der Impuls der neuen Lehre wurde am kräftigsten in Österreich aufgenommen, wo Menger mit seinem ungemein klar geschriebenen Werke „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, Wien 1871, rasch Schule machte. Seine Gefolgschaft, die österreichische Schule, trug viel mehr zur Verbreitung der neuen Wertlehre bei als der andere, wir könnten auch sagen, der ursprüngliche Zweig der Grenznutzenschule, nämlich der mathematische Zweig derselben. Von dieser machte unmittelbar nur Walras Schule (die Schule von Lausanne genannt), indem er in Wilfredo Pareto (1848-1923) einen Nachfolger fand, welcher die Richtung seines Lehrers erheblich vertiefte.

Dass die Grenznutzenlehre im Anschluss an Menger mehr Anhänger fand als in der Richtung von Jevons und Walras, ist hauptsächlich der mathematischen Darstellungsweise der letzteren zuzuschreiben, welche den meisten mathematisch kaum geschulten Gelehrten fremd blieb. Bemerkenswert ist es, dass die Grenznutzenlehre in Deutschland, also auf jenem Boden, wo der Hang, das Wertproblem auf subjektiver Grundlage zu behandeln schon im Gefolge von Smith am stärksten war, am kühlsten aufgenommen wurde. Über die Verbreitung der Grenznutzenlehre oben auf Seite 18.

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Eine Weiterbildung des Grenznutzengedankens enthält das Clarksche Gesetz. Es besagt, dass der Wert nicht durch die Summe der in einem Gute enthaltenen Bedürfnisbefriedigungen, sondern durch die im Gute noch enthaltene letzte Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeit bestimmt wird. Wir schätzen z. B. einen Winterrock, welcher außer dem einfachen Wärmebedürfnis auch das Bedürfnis nach besserer Ausstattung befriedigt, nicht gleich dem Wärmebedürfnis und dem der besseren Ausstattung vereint, sondern bloß nach dem letzten Zuwachs an Befriedigung, welchem und die betreffende Qualität gewährt. Von den in einer bestimmten Gutsqualität vorhandenen Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten ist es sonach die letzte noch mögliche Befriedigung, welche den Grenznutzen und somit den Wert bestimmt. Die Bedeutung dieser Feststellung liegt ebenso auf dem Gebiete der Preisbildung, wie auch jene des Versuches von Seligmann den Grenznutzen nicht individuell, sondern als Gesellschaftsgrenznutzen zu fassen.

14 Die Zurechnungslehre

Die Zurückführung der Wertschätzung der Güter bis zu ihrer subjektiven Wurzel wurde der Ursprung eines neuen Problems der Werttheorie. Die alte Werttheorie betrachtete, indem sie in den Produktionskosten die Grundlage des Wertes suchte, die Produktivgüter als etwas Primäres in der Wertbildung, sozusagen, als die Ursache des Wertes. Sonach bedurfte sie auch keiner Erklärung für den Wert der Produktionsgüter. Für die subjektive Werttheorie hingegen erstand in dieser Richtung eine neue Frage, keine Endursache der Wertbildung.

Die Frage wonach sich der Wert der Produktivgüter, also der Arbeit, des Bodens und des Kapitals, richtet, wäre ja für die subjektive Werttheorie an und für sich sehr einfach. Schon Menger beantwortet sie präzis, indem er feststellt, dass sich der Wert der Produktivgüter ebenso wie jener der Genussgüter, nach dem Grenznutzen richten müsse. Demgemäß muss der Wert der Produktivgüter ein indirekter, von ihrem Ertrage abgeleiteter Wert sein, denn ihre Rolle im Wirtschaftsleben besteht darin, dass sie nützliche Dinge, also Genussgüter hervorbringen.

Schon Menger musste jedoch wahrnehmen, dass einer unmittelbaren Bestimmung des Wertes der Produktivgüter durch den Grenznutzen ihres Produktes die Komplementarität der Produktivgüter ein Hindernis in den Weg legt. Weder Arbeit noch Grund und Boden, noch Kapital erzeugen isoliert, ohne Verbindung miteinander Produkte. Wie ist es demnach möglich, aus dem gemeinsamen Ergebnis der zusammenwirkenden Produktivfaktoren jene Bedeutung zu bestimmen, welche dem einen und dem anderen Produktivgute am gemeinsamen Ergebnis zuzuschreiben ist?

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Menger greift zu dem naheliegenden und in seiner Werttheorie im Vordergrund stehenden Gedanken, die Bedeutung der einzelnen Faktoren können dadurch festgestellt werden, welcher Nutzenausfall entstünde, wenn der fragliche Produktionsfaktor oder ein Teil desselben in Verlust geraten würde. Der Verlustgedanke liegt also seiner Lösung zugrunde. Weiterentwickelt wurde dieser Gedanke durch Böhm-Bawerk.

Böhm-Bawerk gelang zu der wichtigen Unterscheidung zwischen ersetzbaren und unersetzbaren Gliedern der komplementären Gruppe. Der Wert ersetzbarer Stücke kann auch in der komplementären Gruppe nicht über den Substitutionswert steigen, denn der Verlust eines Stückes erfordert nur das Opfer der Heranziehung eines neuen Exemplares (Substitutionsprinzip). Noch deutlicher tritt dies in der Verkehrswirtschaft zutage, wo das Ersatzstück auf dem Markte zu einem gegebenen Preise beschafft werden kann. Ersetzbarkeit und anderweitige Verwendungsmöglichkeit bilden Grenzen, innerhalb welcher soch der Wert der erfassbaren Produktivgüter stellen muss. Handelt es sich hingegen um ein Stück, dessen Verlust die ganze Produktion vereiteln würde (Schlussstück), so muss demselben der Wert des ganzen Produktionsergebnisses zugeschrieben werden.

Mit dieser Lösung war Wieser nicht einverstanden. Nicht der Verlust, sondern der Besitz und der Gebrauch eines Gutes muss, meint Wieser, für den Wert desselben maßgebend sein. Überdies müsste der ganze Ertrag auf die bei der Produktion mitwirkenden Produktionsgüter aufgeteilt werden und es dürfe demnach kein unverteilter Rest verbleiben. So kam er zu seiner Lösung, welche das Wesen des Vorganges in einer Aufteilung des Ertrages auf die Produktivgüter sucht. Wieser meint, es müsse der Anteil ermittelt werden, welcher als wirtschaftliches Ergebnis dem einzelnen Produktivgute zuzurechnen sei. Die Zurechnung des produktiven Beitrages der einzelnen Produktivgüter zum Gesamtergebnisse sei also das Wesen des Vorganges. Diese Aufgabe wäre geradeso unlösbar, wie jene der Aufteilung des physischen Ertrages, falls jedes Produktivgut nur in einer bestimmten Kombination mit anderen seine Verwendung finden würde. Dem ist aber nicht so, denn die meisten Produktivgüter kommen in unzähligen Kombinationen zur Verwendung. Der Gesamtwert des Ertrages jeder Kombination ist gleich der Summe jener Anteile, welche den einzelnen Produktivgütern zuzurechnen sind. Auf diese Weise entstehen nicht einzelne Gleichungen, sondern Gleichungssysteme, und zwar in einer Anzahl, welche nur so viel Unbekannte enthält, als es Gleichungen gibt und demnach können aus diesen Gleichungssystemen die Werte der einzelnen Produktivgüter, also ihre produktive Beiträge errechnet werden. Es ist also eine Vergleichung der Ergebnisse in verschiedenen Kombinationen, welche nach Wieser zur Ermittlung des produktiven Beitrages, also zu der Zurechnung desselben führt.

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Eine Annäherung an die Lösung Mengers und Böhm-Bawerks, won welcher seine Auffassung prinzipiell abweicht, hat Wieser später in seiner Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft versucht, indem er den Unterschied zwischen ersetzbaren und unersetzbaren Gliedern der komplementären Güter in seine Theorie hineinarbeitete. Für erstere hielt er seine frühere Ansicht aufrecht, dass der Wert der Kostenmittel (also der ersetzbaren und anderwärts verwendbaren Güter) aus dem Vergleich ihrer Mitwirkung in verschiedenen Verwendungen festgestellt werden muss. Er nennt dies gemeine Zurechnung. Dieser stellt er für die unersetzbaren Glieder komplementärer Gruppen (spezifische Produktivmittel) seine Theorie der speziellen Zurechnung zur Seite, welche darauf hinausläuft, dass denselben der Restertrag nach Abzug des Wertes der nicht spezifischen Produktivgüter zuzurechnen sei.

In der amerikanischen Literatur hat Clark einen dritten Weg beschritten. Unter Anlehnung an Thünens Gedanken geht Clark hierbei von der Voraussetzung aus, dass die Mitwirkung der einzelnen Produktivfaktoren in gleiche Einheiten, also Zuwüchse zerlegt werden kann und sucht dann zu ermitteln, welchen Ertragszuwachs bei Gleichbleiben der übrigen mitwirkenden Produktivgüter der Zuwachs einer Teilmenge des fraglichen Produktivgutes ergibt. Da diese Teilmengen untereinander vertretbar sind, und demnach sich der Wert des ganzen Vorrates auch bei den Produktivgütern auf Grund des Grenznutzengesetzes bestimmt, so sei das Ergebnis der Grenzproduktivität, also des letzen wirtschaftlich noch zulässigen Teilchens des fraglichen Produktivgutes, das Maß der Bedeutung dieses Gutes in jeder Verwendung. Diesen Gedankengang baute Aftalion weiter (Aftalion: Les trois notions de la productivité et les revenus. Revue d’économie politique. 25. Jahrgang (1911).), indem er darauf hinwies, dass die Zuwüchse an Produktivgütern in ungemein geringen (infinitesimalen) Dosen angenommen werden müssen, um auf dieser Grundlage die Grenzproduktivität und durch dieselbe den Wert der Produktivgüter bestimmen zu können.

Die Clarksche Methode stützt sich sonach einerseits auf den Grenzgedanken, indem die Abnahme des Ertrages weiterer Zuwüchse zum Ausgangspunkte gemacht wird, andererseits wird das Grenznutzenprinzip in jener Richtung herangezogen, dass die Grenzverwendung auch in anderen Verwendungen den Wert der Güter bestimmt. Die Durchführung stellt sich sonach Clark so vor, dass es sich bei Ausdehnung der Produktion um die Zugabe neuer Dosen von Land, Kapital und Arbeit handelt, indem der Wirtschafter darüber zu entscheiden hat, welches Ergebnis eine solche Dose bei Gleichbleiben der übrigen Zusammensetzung der Produktivgüter erzielen könne. Einmal müssen Boden und Kapital als unveränderlich angenommen und untersucht werden, welchen Ertragszuwachs die Anwendung einer neuen Arbeitsquantität ergeben würde; ein andermal sollen Boden und Arbeit als gegeben betrachtet werden, um zu ermitteln, welchen Produktionszuwachs die Verwendung einer neuen Dose Kapital hervorbringt.

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Jetzt sind wir mal wir auf das Üben aus. Gerade Vorräte und Lagerbestände kann man hervorragen mit deren jeweiligen Buchungssatz hier üben. Gerade werden Güter zum Üben das Lager verlassen oder aufgenommen.